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Methodik

1. Einladung


Wie kann es gelingen, ältere Menschen in Pflegeheimen und Tagesstätten an die Bildende Kunst heranzuführen? Es gibt keine einfachen Rezepte zur Beantwortung dieser Frage, wohl aber einige Erfahrungen. Aus dem weiten Feld der Möglichkeiten gilt es dann ein passendes Angebot auszuwählen.

Interessierte überschätzen häufig die Bedeutung der eigenen Begabung. Es kommt jedoch weniger auf das Talent als vielmehr auf ein Minimum an Interesse an. Dieser Funke einer Aufmerksamkeit kann häufig durch den Umgang mit der Farbe an sich geweckt werden.

So ist es möglich, halbflüssige Farben eigener Wahl auf einen Kunststoffgrund aufzutragen, ein Blatt Papier aufzulegen und einen Abdruck zu erzeugen. Nimmt man das Blatt gemeinsam wieder ab, so haben sich Zufallsmuster und Farbmischungen ergeben, über die man sprechen und die man weiter bearbeiten kann. Schnell wird dann deutlich, dass es nicht kompliziert ist, auf einem Blatt Papier eine wie auch immer geartete Malspur zu hinterlassen.

Bei fortgesetzten Besuchen im Atelier gewinnen neue Teilnehmerinnen durch Beobachtung einen Eindruck von den individuell sehr unterschiedlichen Malweisen. Meist verstehen sie dies als Einladung, ihren eigenen Weg zu suchen.

Es dauert einige Zeit, in einer neuen Gruppe anzukommen und sich zu verbinden, wenn man dies nicht mehr gewohnt ist. Vielleicht vermittelt ein Bildgeschenk einen Kontakt ohne viele Worte. Später können zwei Partner an einem gemeinsamen Bild arbeiten, indem sie ihre Blätter nach einiger Zeit austauschen. Eine andere Variante ist es, zu zweit gleichzeitig an einem großen Format zu malen. So lassen sich auch erste Gespräche anknüpfen.

Eigens geschaffene Ausmalbogen können Malerinnen eine Form bieten, an die sie sich anfangs noch anlehnen können; ein Übergang zu einer freien Arbeit ergibt sich schrittweise. Wird eine geeignete Kunstpostkarte ausgesucht, besprochen und dann auf einen A3-Zeichenkarton gebracht, so kann das Motiv leicht nach allen Seiten hin malerisch erweitert werden. Auch dies kann eine tiefgehende Erfahrung sein, die zu eigenen Bilderfindungen ermutigt.

Das Malen im Atelier wird in der Regel als freie Einzelarbeit in der Gruppe oder als themenzentrierte Gruppenarbeit angeboten.

2. Freie Einzelarbeit in der Gruppe


Bei der freien Einzelarbeit wählt jede Teilnehmerin der Gruppe ihre Themen selbständig und bringt oft Ideen, Skizzen und Anschauungsmaterial zum Ateliertreff mit. Ein Thema kann sich jedoch auch aus dem Gespräch mit anderen Gruppenteilnehmerinnen während des Treffens entwickeln. Die weitere Arbeit am Bild wird individuell begleitet. Bei einer abschließenden Bildbetrachtung können dann die einzelnen Malerinnen ihre Bilder und die ihnen wichtigen Themen vorstellen. Fragen der Bildkomposition und der Farbenlehre werden hierbei mit beachtet.

3. Themenzentrierte Arbeit in der Gruppe


Bei der themenzentrierten Malerei hingegen entwickelt die ganze Gruppe aus einem gemeinsamen Gesprächsthema heraus individuelle Bildlösungen. Auch hier ist die abschließende gemeinsame Bildbetrachtung in der Gruppe essentiell wichtig. Individuelle Stärken und eine persönliche Handschrift werden im Bild sichtbar und erfahren in der Gruppe sehr häufig eine glaubwürdige Wertschätzung.

In einer aufgelockerten Atmosphäre, die spontane Einfälle begünstigt, wandeln viele Malerinnen das zunächst besprochene Thema ab und kommen zu anderen Inhalten mit neuen Bildlösungen. Dies ist ein erwünschter Prozess. Ein gutes Thema engt die Schöpferkraft nicht ein, sondern regt weitere inhaltliche und bildnerische Erfindungen an.

Themen sollten einfach verständlich und emotional ansprechend sein. Sowohl das Thema als auch Fragen der Komposition, der Farbgestaltung und das angebotene Material können Impulse für ein Gespräch und für das Malen setzen. Ein gutes Thema vermag es, das Schöpferische in den Bereichen Wort, Bild, Gesang und Spiel anzuregen.

Die Ateliertreffen können mit Musik beginnen und es liegt nahe, eine Strophe oder auch nur eine Textzeile des gerade gesungenen Volksliedes bildnerisch zu gestalten:

  • An der Saale hellem Strande
  • Aus grauer Städte Mauern ziehen wir durch Wald und Feld
  • Komm zu uns ans lodernde Feuer
Im Atelier empfiehlt es sich, an Alltagserfahrungen der Teilnehmerinnen anzuknüpfen. Es gibt Objekte, die vielfältige Lebenserfahrungen wachrufen und als Modelle für Studien dienen können. Ihre ausführliche Betrachtung beim Malen und Zeichnen wie auch ihre Besprechung wirken oft aktivierend. Dies gilt zum Beispiel für:
  • Jahreszeitliche Blumen
  • Aktuell geerntete Früchte und Gemüse
  • Traditionelle Gegenstände des Haushaltes
Viele Themen folgen dem Gang der Jahreszeiten. Solche Jahreszeitenbilder sind:
  • Ein Panoramabild vom Winter zum Frühling
  • Der Vogel des Frühlings bringt die Farben ins Land
  • Das Kleid der Flora
  • Die Sonne kehrt zu uns zurück
  • Mein Strandsommer
  • Eine Insel im Meer
  • Ein Gartenfest
  • Das goldene Kornfeld
  • Der Herbstwald
Eng mit den Jahreszeiten verbunden ist die Abfolge traditioneller Feste und Bräuche, die in Bildern erarbeitet werden können:
  • Das Osternest
  • Der Erntekranz
  • So sah mein bunter Teller aus
  • Der Tannenbaum meiner Kindheit
  • Maria durch ein Dornwald ging
  • Stern über Bethlehem
Ein sehr ergiebiges Feld für die Atelierarbeit bilden biografische Themen:
  • Ein Spiel aus meiner Kinderzeit
  • Der Himmel über meinem Elternhaus
  • Am Fluss meines Lebens
Einige Themen regen Bildinhalte an, die positive Gefühle stimulieren können. Die entstandenen Bilder können auch später bei der Betrachtung immer wieder einen förderlichen Einfluss auf das seelische Gleichgewicht der Malerin ausüben. Solche Bildthemen sind:
  • Ich gehe meinen eigenen Weg
  • Ein schönes Ereignis, an das ich mich gern erinnere
  • Ein Platz für mich! Ein Ort, der mir gefällt.
  • Ein Edelstein für das Wertvolle in meinem Leben
  • Mein Schutzengel
Existenzielle Erfahrungen können bei dem Malen nach Psalmentexten gestaltet werden: so etwa mit Hilfe des Psalm 23:„Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir…“ oder mit dem Psalm 108: „Denn deine Gnade reicht, soweit der Himmel ist, und deine Treue, soweit die Wolken gehen.“ Diese Texte sind vielen älteren Menschen vertraut; sie waren lebensbegleitend.

Es hat sich als lohnend erwiesen, auch Selbstbildnisse vor dem Spiegel anzuregen. Weitere Varianten von Selbstdarstellungen in übertragenem Sinne sind möglich bei nahe verwandten Themenstellungen wie:
  • Ich als Baum
  • Das alte Haus
  • Mein geschützter Garten

4. Material


Experimentierfreudigkeit empfiehlt sich auch bei der Materialauswahl. Die meistverwendeten Farben in dieser Projektarbeit sind:

  • Temperafarben
  • Gouachefarben, die auf Tellern frei ausgemischt werden
  • Flüssige Aquarellfarben in Porzellanschalen
  • Fingerfarben
  • Ölfarben
  • Seidenmalfarben
  • Farbiges Seidenpapier für Collagen

Als Materialien zum Zeichnen stehen zur Verfügung:
  • Buntstifte
  • Graphit
  • Pastellkreide
  • Wachskreide, Ölkreide und Wachsölkreide
  • Zeichenkohle
  • Rötel
  • Rohrfeder, Stahlfeder und Holzstäbchen und farbige Ausziehtusche
Als Bildträger bewähren sich: weißer Zeichenkarton im Format 30 x 40 cm mit mindestens 200g/m², Aquarellkarton mit mindestens 300 g/m², strukturierte farbige Kartons, Velour-Pastellpapier, gespannte und grundierte Seide sowie Baumwolle und Leinen auf Keilrahmen.